WENZ-MODELLBAU
Bausatz Plank Derrick 1:48 Spur 0 WM0382
Funktionsweise
eines historischen amerikanischen Bohrsystems
Anmerkungen
von Ekkehard K. Wenz
Die alten, amerikanischen Bohrsysteme stellen die
vorgründerzeitliche Perfektionierung einer uralten, bereits seit
Jahrhunderten für die Bohrung von Brunnen perfektionierten
Bohrmethode dar. All diese Methoden haben gemeinsam, daß ein
aufgeständerter Wiegebalken, sorgfältig ausbalanciert, wie
eine Wippe auf und abwippt und hierbei sich ein an einer Seite
angehängtes Meißelsystem senkrecht in den Boden arbeitet,
lediglich durch sein Eigengewicht Gestein zertrümmernd. Es handelt
sich also keineswegs um die erst Mitte des 20. Jahrhunderts
eingeführte Rotationsbohrtechnik, sondern um die bloße
schlagende Meißeltechnik.
Angesichts tausender von
Bohrlöchern, die diese simple Technik für die Menschheit
erbracht hat, gleich ob für die Wasser- oder Ölversorgung,
wird deutlich, mit welcher Beharrlichkeit der Mensch in seiner Zeit
seine Ziele verfolgen kann, denn der Vortrieb solcher Systeme ist
vergleichsweise gering, der Zeitaufwand enorm.
Der Aufbau einer solchen Bohranlage
(Drilling Facility) ist recht simpel: auf einem aus dicken Balken
gezimmerten und verplankten Fundament wurde eine Dampfmaschine oder,
falls natürliches Erdgas als Ölbegleiter bereits
verfügbar, ein Erdgasmotor aufgestellt und mit einem Schutzhaus
versehen (Engine House). Am Ende dieses Aufsatzes finden Sie eine
Rißzeichnung unseres Modells mit Bezeichnungen der Komponenten.
Eine am Motor angeflanschte
Riemenscheibe trieb über einen breiten Flachriemen ein riesiges,
hölzernes Riemenrad (Band Wheel) an, das auf zwei kräftigen,
mit diagonalen versteiften Lagerbalken ruhte und dessen Achse einseitig
mit einem angekröpften Kurbelzapfen versehen war.
Auf den Kurbelzapfen wurde der sog.
Pitman aufgesetzt, ein Holzbalken, der die Pleuelstangenfunktion des
Kurbeltriebs erfüllte und dessen Hubbewegung über
Verbindungseisen auf den Walking Beam weitergegeben wurde. Diese
riesige Balken, war gelagert in einem schwenkbaren Widerlager (Saddle),
das auf einen Lagerbalken (Samson Post) aufgesetzt wurde. Mit dem
Samson Post verbunden war ein weiterer aufgestellter Pfosten, der im
Falle einer Beschädigung des Kurbelsystems am Band Wheel ein
Abstürzen des vorderen Endes des Walking Beam auf das Bohrdeck
verhindern sollte - angesichts der schweren Folgen solcher Unfälle
nannten die Ölpioniere den Pfosten sinnigerweise Headache Post
(Kopfweh-Pfosten).
Am vorderen Ende des Walking Beam
wurde das Bohrgestänge (Cable Drilling Line) mittels
Verbindungsbeschlägen aufgehängt. Es bestand im wesentlichen
aus einem langen, zusammengeschraubten Stangensystem, an dessen
vorderer Spitze ein meist gehärteter Meißel (Bit)
eingeschraubt war, der sukzessive unter ihm befindliches Gestein
zertrümmert hat. Verschiedene Meißelformen für
unterschiedliche geologische Verhältnisse waren die
Standardausrüstung. Am oberen Ende des Stangensystems, dessen
bloßes Eigengewicht den Impuls lieferte, mithilfe dessen die
Bohrung vorgetrieben wurde, war ein schweres Tau (sog. Cable,
früher Manila Rope mit über 2 Zoll Durchmesser, später
Stahlseile) mit einer Klemmung (Clamp) befestigt und hing während
des Bohrens lose seitlich weg.
Oberhalb der Clamp war am
Bohrgestänge eine Zustellvorrichtung (sog. Temper Screw,
gehärtete Schraube, Konstruktion einer riesigen Spannmutter)
eingesetzt, die dazu diente, das Bohrgestänge durch Verstellung zu
verlängern, um möglichst das ganze Gewicht des
Bohrgestänges auf den Meißel zu geben, sobald dieser beim
Hub nach unten auf Gestein traf, andererseits aber zu verhindern,
daß der Walking Beam auf dem Gestänge aufsaß.
War die Temper Screw mittels des
Verstellungshandrades (oder zweier Knebel) Hub für Hub sukzessive
ganz ausgefahren worden, wurde das am Bohrgestänge befestigte Tau
aus der Klemmung unterhalb der Temper Screw herausgenommen und die
Temper Screw vom Bohrgestänge gelöst, danach wieder
zurückgedreht und ein weiteres Stück Bohrgestänge
eingeschraubt. Während die Temper Screw vom Bohrgestänge
abgenommen war, hing das Bohrgestänge am Cable, das über eine
Seilrolle in der Derrickspitze (Crown Blocks) umgelenkt und auf eine
Haspel geführt wurde, die mithilfe einer großen Seilscheibe
(Bull Wheel) vom Engine House aus angetrieben wurde.
Für das Lösen und
Festziehen der Verschraubungen des Bohrgestänges wurden riesige
Schraubenschlüssel (Wrenches) verwendet, die mithilfe eines am
Bohrloch angeordneten, aus Eisen gegossenen Wrench Circles und
Brecheisen benutzt wurden: mithilfe der Lochreihe des Wrench Circles
und der Brecheisen konnten durch die Hebelwirkung auch extrem
verspannte und festsitzende Bohrgestänge-Verschraubungen immer
wieder gelöst werden.
War das gesamte Bohrgestänge auf
die Länge der lichten Derrickhöhe zusammengebaut worden,
wurde dies nicht mehr weiter verlängert, sondern lediglich nach
Lösen der Clamp das Bohrgestänge etwas abgelassen, die Temper
Screw zurückgedreht und das Tau mittels der Clamp wieder am
Bohrgestänge festgemacht, um weiter in die Tiefe meißeln zu
können.
Damit konnte das Bohrgestänge
bei abgenommener Temper Screw jederzeit komplett aus dem Bohrloch
geholt werden, um zertrümmertes Gestein aus dem Bohrloch
heraufzuholen.
War Grundwasser im Bohrloch
vorhanden, verschlammte dieses das zertrümmerte Gestein zu einer
zäh fließenden Masse, andernfalls half man mit der
Einleitung von Wasser nach, um anschließend ein Ventilrohr
(Bailer) in das Loch hinabzulassen. An der Spitze des Bailers befand
sich ein mechanisches Ventil, daß sich öffnete, sobald es
mit dem Grund des Bohrlochs in Berührung kam, der Gesteinsschlamm
floß ins Rohr. Beim Abheben schloß sich das Ventil wieder
und der Bailer wurde mit dem zertrümmerten Gestein aus der Tiefe
geholt und entleert, aufgehängt an der Sand Line, die ebenfalls
über einen Crown Block auf eine Haspel direkt im Innern des Engine
House lief.
Der obere Teil des Bohrloches wurde
in sog. Casings gefaßt, aus Eisen gegossene Rohrstücke
unterschiedlicher Durchmesser abhängig von der Bohrlochtiefe, die
das Bohrloch nach oben dicht abschlossen, um später, nach Abbau
des Bohrsystems, einfache Pumpen aufsetzen zu können. Während
in der Anfangszeit des Ölbooms vielfach die gesamte Bohranlage
einschließlich Derrick als Pumpe genutzt an der Bohrung verblieb,
verwendete man später, nach Abbau des Bohrsystems, über Rod
Lines (Stangensysteme) oder Jack Lines (Seilsysteme) zentral von einer
Center Power (Zentrale Krafterzeugung mittels Erdgasmotor und
Exzenterantrieb) angetriebene Pumpen (Jacks). Manchmal wurde das
Bohrsystem jedoch nicht völlig abgebaut, sondern lediglich der
Derrick abgenommen und das vordere Ende des Walking Beam mit einem
Gestänge zu den Pumpventilen am oberen Ende des Casing verbunden,
später ein Elektromotor zum Antrieb des Band Wheels installiert -
an einer Stelle in Kalifornien ist ein solches Reststück einer
hölzernen Bohranlage zu Pumpzwecken nach wie vor in Betrieb.
Für die Versetzung der Casings
stand ein über zwei Crown Blocks laufender Flaschenzug mit
Seilscheibe (Calf Wheel) und Seilhaspel an der Bohrstelle zur
Verfügung, der ebenfalls vom Engine House aus angetrieben werden
konnte.
Zur Aufbewahrung von Werkzeug, zur
Wartung von Ausrüstungsgegenständen und zur Lagerung von
nässeempfindlichen Gegenständen war vielfach unmittelbar an
der Bohrstelle ein einfacher, einseitig offener Holzschuppen (Shed) auf
dem Bohrdeck vorhanden, Je nach Epoche Ihrer Anlage bietet unser
umfangreiches Zubehörprogramm Werkbänke, Spinde, Abosse und
Werkzeuge aller Art, um Ihre Ölbohrstelle wirklichkeitsnah in
Szene zu setzen.
In all den Jahren zwischen dem Beginn
der Ölförderung und der Einführung der Rotationstechnik
haben die Bohreinrichtungen, wie hier im Modell dargestellt,
verschiedene Änderungen erfahren, doch der grundsätzliche
Aufbau einer solchen Anlage wie hier beschrieben war über die
gesamte Zeit der Verwendung der Technik identisch, sodaß sich
unser Modell für den Einsatz bis von Epoche I in die 50er Jahre
des 20. Jahrhunderts eignet - ohne Derrick zur Pumpstation umgebaut
sogar bis ans Ende des 20. Jahrhunderts als Epoche V-Fossil.
Ich wünsche viel Freude bei der
Montage dieses außergewöhnlichen Bausatzes und viel Erfolg
im Ölgeschäft!
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